top of page

Zwei Gründe warum du dich schei*e fühlst

  • yuliyadenysenko29
  • 18. Apr.
  • 4 Min. Lesezeit

Ich war einmal auf einer Konferenz, bei der der Sprecher (dessen Namen ich nicht mehr weiß) etwas gesagt hat, das mir im Kopf geblieben ist:

„Die meiste Zeit fühlst du dich aus einem von zwei Gründen schlecht:

  1. Du gibst jemand anderem die Schuld, oder

  2. du gibst dir selbst die Schuld.“



Obwohl das schon eine ganze Weile her ist, ist es bei mir geblieben. Später, als ich selbst anfing, mit Klient:innen zu arbeiten, sah ich dieses Muster immer wieder. Ich würde nicht sagen, dass wirklich jeder Grund für ein schlechtes Gefühl auf diese beiden Punkte zurückzuführen ist - aber überraschenderweise … wirklich überraschenderweise … trifft es doch auf sehr viele zu.

Und ich würde sogar noch weitergehen: In den meisten Fällen kann man es auf Punkt 2 reduzieren – sich selbst die Schuld geben. Auch wenn es so aussieht, als würden wir die andere Person dafür verurteilen, dass sie sich schlecht verhalten hat, geben wir uns innerlich oft selbst die Schuld, dafür, dass wir nichts dagegen gesagt haben, dass wir es zugelassen haben, dass wir es nicht früher gesehen haben. Es gibt Dinge in uns, die wir nicht sehen oder klein halten wollen, und so richten wir den Blick lieber nach außen. (Manche von uns machen übrigens genau das Gegenteil: Sie geben sich selbst die Schuld, obwohl sie eigentlich akzeptieren müssten, dass sie keine Kontrolle über das Verhalten anderer hatten – aber das auszuhalten fällt schwer.)


Am Ende laufen beide Wege oft auf dasselbe hinaus: Wir geben uns selbst die Schuld ,ob berechtigt oder nicht.


Aber warum?

Warum stehen hinter den meisten unserer schlechten Gefühle entweder Schuldzuweisungen an andere - oder an uns selbst?


Diese Frage hat mich eine Weile begleitet, besonders in meiner Arbeit mit Klient:innen. Und was ich bisher glaube (zumindest im Moment), ist Folgendes: Schuldzuweisungen sind eine Strategie des Verstandes, um Schmerz einzuordnen ... und vielleicht auch, um eine gewisse Kontrolle über unangenehme Gefühle oder äußere Ereignisse zurückzugewinnen.


Wenn wir uns schlecht fühlen - traurig, ängstlich, schuldig, wütend - will unser Verstand nicht einfach nur fühlen. Er will es verstehen. Er will es einordnen. Vermeiden, jetzt und in Zukunft. Wir suchen nach einem Anzeichen, einem Auslöser, an dem wir zukünftige Situationen vielleicht besser erkennen können. Ein Instinkt, uns zu schützen vielleicht. Um das Schlechte vorherzusehen und zu vermeiden.


Und manchmal ist der gemeinsame Nenner bei all dem: wir selbst. Und wir sehen uns - oder eher: das Schuldgeben an uns selbst - als den einzigen Weg, das unangenehme Gefühl zu stoppen. Als den einzigen Weg, wieder Macht zu spüren. Den einzigen Weg, um zu verhindern, dass es nochmal passiert.


Wir suchen immer nach etwas, woran wir uns festhalten können. Wir mögen Vorhersehbarkeit, selbst wenn das bedeutet, dass wir schlecht über uns denken müssen. Und wenn die Antwort nicht klar ist, beginnt der Verstand zu scannen. Er sucht nach etwas - nach jemandem - nach irgendeinem Punkt, dem er Verantwortung zuweisen kann. Denn Schmerz ohne Erklärung ist beängstigend. Er ist roh, offen, verletzlich. Also greift der Verstand nach dem ersten Gedanken, der halbwegs Sinn ergibt.


„Wenn ich klüger, stärker, vorsichtiger gewesen wäre …“„Wenn sie das nicht gesagt hätten, nicht gegangen wären, mich nicht enttäuscht hätten …“


Und genau so wird Schuld zu dem Gerüst, das wir um unser Unwohlsein bauen. Es gibt dem Schmerz eine Richtung. Es gibt der Emotion einen Grund zu existieren. Es löst nichts wirklich aber es fühlt sich besser an, als mit dem Nichtwissen dazusitzen.


Aber warum richtet sich die Schuld so oft nach innen?


Es gibt mehrere mögliche Gründe. Aber einer der auffälligsten ist: Sich selbst die Schuld zu geben fühlt sich manchmal besser an, als sich hilflos zu fühlen. Die Situation ist vorbei, und wir stecken tief in der Reue, denken alles hundertmal durch... wie und warum wir getan haben, was wir getan haben. Wenn ich es vermasselt habe, kann ich es vielleicht beim nächsten Mal besser machen. Wenn es meine Schuld war, kann ich verhindern, dass es nochmal passiert. Dieser Gedanke tut weh - aber er gibt auch Kraft, statt Hilflosigkeit.

Das klingt vielleicht seltsam. Warum sollte man sich lieber schuldig oder beschämt fühlen?Weil - wenn du Schuld bist - du immer noch die Kontrolle hast. Es gibt noch eine gewisse Ordnung.


Die Alternative ist schwerer auszuhalten: Dass manchmal Dinge schieflaufen, ohne dass jemand Schuld hat. Dass wir machtlos waren, unvorbereitet oder einfach nur menschlich in einer chaotischen Welt. Und diese Art von Verletzlichkeit ist schwerer zu ertragen als Schuld.

Deshalb machen wir uns selbst Vorwürfe ... nicht, weil sie wahr sind, sondern weil sie uns das Gefühl geben, dass die Welt immer noch Sinn ergibt. Dass wir noch das Steuer in der Hand haben. Es ist ein Bewältigungsmechanismus, der wie Selbstreflexion aussieht ... in Wirklichkeit aber vor Hilflosigkeit und Schmerz schützt.


Also vielleicht sind Schuld und Selbstschuld gar nicht die echten Gründe, warum wir uns schlecht fühlen.Vielleicht sind es nur die Geschichten, die wir uns erzählen, um das zu verstehen, was weh tut.Vielleicht liegt die eigentliche Arbeit darin, zu akzeptieren, was wir nicht kontrollieren können , oder einfach mit dem Schmerz da zu sein … auch wenn es keinen klaren, erklärbaren oder verständlichen Grund dafür gibt.



! Hinweis:

Wenn du dich wirklich danebenbenommen hast und Mist gebaut hast, dann nimm es als Zeichen, es beim nächsten Mal besser zu machen - Selbstvorwürfe können sinnvoll sein, wenn sie dich zur Veränderung bringen. Aber wenn du nur noch grübelst und dich im Kreis drehst, dann ist dieser Text genau für dich!



 
 
 

Comments


Kontaktiere mich

Falls Du Fragen hast, kannst Du mich hier erreichen: 

Yuliya Denysenko

Klinische Psychologin (M.Sc.) und Heilpraktikerin für Psychotherapie 

Helles Zimmer

H.-H.-Meier-Allee,

28213 Bremen

Germany

+4911639099709

    Yuliya Denysenko Online-Psychologie Deutschland © 2025

    bottom of page